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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 3 U 92/06
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1 | |
UWG § 5 Abs. 5 |
2. Wird ein Tonträger aktuell beworben, so erwartet man ohne entsprechenden Hinweis selbstverständlich greifbare Ware. Eine solche Werbung ist irreführend, wenn die Verfügbarkeit fehlt, weil der Tonträgerhersteller schon Wochen zuvor den Veröffentlichungstermin des Tonträgers verschoben hatte.
3. Die Fußnote in der Werbung: "Keine Mitnahmegarantie. Aus vertriebstechnischen Gründen ist nicht jeder im Prospekt beworbene Artikel in jeder Filiale erhältlich" beseitigt die Fehlvorstellung nicht, denn jener Vermerk ist ersichtlich nur auf Fälle der unzureichenden Bevorratung zugeschnitten.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 30. November 2006
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 9. November 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen vom 21. März 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 7. März 2006 mit der Maßgabe bestätigt wird, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der dort genannten Ordnungsmittel verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bespielte Daten- und/oder Tonträger hervorgehoben mit Abbildung zu bewerben, soweit diese innerhalb eines dort angegebenen Gültigkeitszeitraumes nicht zur sofortigen Mitnahme verfügbar sind.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
und beschlossen:
Die Wertfestsetzung des Landgerichts Hamburg im Beschluss vom 22. Dezember 2005 wird wie folgt ergänzt:
Der Wert des Streitgegenstandes erster Instanz wird für das Erlassverfahren auf 100.000 € festgesetzt. Der Streitwert des Widerspruchsverfahrens beträgt zunächst ebenfalls 100.000 €, er ermäßigt sich durch die teilweise Antragszurücknahme auf 66.666 €.
Gründe:
A.
Die Antragstellerin vertreibt Artikel der Unterhaltungselektronik. Die Antragsgegnerin bietet in den von ihr betriebenen Drogeriemärkten auch CD's, DVD's und andere Multimedia-Artikel an.
Die Antragsgegnerin warb bundesweit mit dem Gültigkeitsvermerk "Angebote gültig von Montag, 12. 12. bis Samstag, 17.12.05" u. a. für die Doppel-DVD "PULSE" der Gruppe "Pink Floyd" (Internet: Anlage ASt JS 1; Prospekt: Anlage AG MBP 9). Der Tonträger war während des Angebotszeitraums nicht erhältlich, weil der Hersteller den zunächst auf den 9. Dezember 2005 vorgesehenen Veröffentlichungstermin auf den 13. Januar 2006 verschoben hatte (Anlage ASt JS 3).
Die Antragstellerin beanstandet das als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht Hamburg (Zivilkammer 27, Aktenzeichen 327 O 895/05) hat mit seiner Beschlussverfügung vom 22. Dezember 2005 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten (wegen des Verfügungsantrags: Bl. 2), im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bespielte Daten- und/oder Tonträger mit Abbildung zu bewerben, soweit diese bei Erscheinen der Werbung und/oder eines dort angegebenen Gültigkeitszeitraumes nicht zur sofortigen Mitnahme vorrätig sind.
Durch Beschluss der Zivilkammer 27 vom 26. Januar 2006 hat sich diese für funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die zuständige Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hamburg verwiesen (Bl. 27).
In der Widerspruchsverhandlung vor dem Landgericht (Bl. 39) hat die Antragstellerin die Beschlussverfügung nur mit der Maßgabe verteidigt, dass der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bespielte Daten- und/oder Tonträger hervorgehoben mit Abbildung zu bewerben, soweit diese innerhalb eines dort angegebenen Gültigkeitszeitraumes nicht zur sofortigen Mitnahme vorrätig sind.
Mit der vorstehend wiedergegebenen Maßgabe hat das Landgericht durch Urteil vom 21. März 2006 die einstweilige Verfügung der Zivilkammer 27 bestätigt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.
Die Antragsgegnerin beantragt (wegen der ursprünglich angekündigten Antragsfassung Bl. 97),
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag in der vom Landgericht bestätigten Fassung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in dem Verbotsausspruch der Beschlussverfügung das Wort "vorrätig" durch das Wort "verfügbar" ersetzt wird.
B.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist daher mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.
I.
Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Haupt-Verfügungsantrag gemäß dem Verbotsausspruch im landgerichtlichen Urteil, das die Beschlussverfügung antragsgemäß eingeschränkt bestätigt hat (mit der Wendung "vorrätig"), sowie der in der Berufungsverhandlung gestellte Hilfsantrag (statt dessen mit der Formulierung "verfügbar").
Trotz der Abweichung im Wortlaut besteht inhaltlich zwischen dem Haupt- und Hilfsantrag kein Unterschied. Der Senat hat in der Berufungsverhandlung die Antragsfassung angesprochen und hat darauf hingewiesen, dass es nach dem vorgetragenen Verletzungsfall (der Werbung für den Tonträger "PULSE") wohl nicht um einen Fall seiner mangelnden Bevorratung, sondern um dessen fehlende (generelle) Verfügbarkeit gehe. Die Antragstellerin hat sich dem angeschlossen und zu ihrem Hilfsantrag klarstellen lassen, er sei gegenüber dem Hauptantrag lediglich eine "redaktionelle Änderung". Hieraus ergibt sich aber auch, dass die Reichweite von Haupt- und Hilfsantrag gleich ist. Folglich geht der Hilfsantrag seinerseits trotz der abweichenden Formulierung als bloße Wiederholung ins Leere.
Gleichwohl hat der Senat im Urteilsausspruch die Beschlussverfügung mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wendung "verfügbar" - entsprechend dem Hilfsantrag - statt "vorrätig" eingefügt wird, um schon im Verbot klar zu stellen, dass es bei diesem streitgegenständlich eben nur um das Werben mit nicht verfügbarer Ware, nicht aber (auch) um das Werben mit unzureichender Bevorratung geht. Das war bei dem landgerichtlichen Ausspruch wegen der dortigen Wendung "vorrätig" nicht deutlich geworden.
Der Gegenstand des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gemäß dem Urteilsausspruch des Senats ist demgemäß das Bewerben bespielter Daten- und/oder Tonträger hervorgehoben mit Abbildung, soweit diese innerhalb eines dort angegebenen Gültigkeitszeitraumes nicht zur sofortigen Mitnahme verfügbar sind.
II.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß dem Urteilsausspruch des Senats ist aus den §§ 8, 3, § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet.
1.) Bereits in der Rechtsprechung zu § 3 UWG a. F. war anerkannt, dass eine Werbung irreführend ist, wenn die beworbene Ware entgegen der durch die Werbung hervorgerufenen Erwartung nicht (oder nicht in ausreichender Menge) vorrätig ist, und zwar zu dem angekündigten Zeitpunkt und eine den Umständen nach zu erwartende Zeit später, oder wenn der Werbende aus nicht sachgerechten Gründen nicht lieferbereit ist. Beide Fallgruppen sind nunmehr in § 5 UWG geregelt. Für die irreführende Werbung bei einer unzureichenden Vorratsmenge gilt die vorrangige Spezialvorschrift des § 5 Abs. 5 UWG, die anderen Fälle der fehlenden Verfügbarkeit sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu beurteilen (Harte/Henning/Weidert, UWG, § 5 UWG Rz. 291-292 m. w. Nw.). Vorliegend ist - entsprechend dem oben dargestellten Streitgegenstand - die zuletzt genannte Norm heranzuziehen.
2.) Die Antragsgegnerin hat auf ihren Internetseiten jedenfalls bis zum 14. Dezember 2005 u. a. die Doppel-DVD "PULSE" der Gruppe "Pink Floyd" beworben (Anlage ASt JS 1), und zwar irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
Die Antragsgegnerin hatte den beworbenen Tonträger nicht verfügbar, weil der Tonträgerhersteller (die xxx) - wie ausgeführt - den Veröffentlichungstermin der DVD verschoben hatte. Demgemäß war die Internetwerbung der Antragsgegnerin (Anlage ASt JS 1) irreführend. Denn die Internetseiten mit dem Gültigkeitshinweis "vom 12. bis 17. Dezember 2005" enthielten bezüglich des Tonträgers PULSE keinen Hinweis zum erst wesentlich späteren Veröffentlichungstermin. Deswegen erwartet der Durchschnittsverbraucher aufgrund der Werbung selbstverständlich, dass diese DVD zu dem angegebenen Zeitraum bei der Antragsgegnerin verfügbar ist.
Der Hinweis in der Werbung der Antragsgegnerin
"Keine Mitnahmegarantie. Aus vertriebstechnischen Gründen ist nicht jeder in dem Prospekt beworbene Artikel in jeder Filiale erhältlich..." (Anlage Ast JS 1) ist nicht geeignet, die aufgezeigte Fehlvorstellung zu beseitigen. Denn diese Angabe ist ersichtlich - und so wird das der Durchschnittsverbraucher auch nur verstehen - auf Fälle einer unzureichenden Bevorratung, nicht aber auf eine generell fehlende Verfügbarkeit des beworbenen Artikels zugeschnitten.
Allerdings gibt es auch bei der fehlenden Verfügbarkeit der beworbenen Ware besondere Einzelfälle, bei denen eine Irreführung entfällt, wenn die Ware aus unvorhersehbaren, vom Durchschnittsverbraucher in Rechnung zu stellenden Gründen nicht greifbar ist. Darum geht es aber vorliegend nicht.
Es ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin von der Verschiebung des Veröffentlichungstermins des beworbenen Tonträgers schon sogar längere Zeit zuvor wusste. Die Antragsgegnerin selbst hat in ihrem Schreiben an die Antragstellerin vom 21. Dezember 2005 ausgeführt, ihr (der Antragsgegnerin) sei von der xxx unter dem 14. November 2005 die Verschiebung des Veröffentlichungstermins des Tonträgers mitgeteilt worden (Anlage ASt JS 3). Dieses Vorbringen ist zugrunde zu legen.
Soweit die Antragsgegnerin noch hat vortragen lassen, sie habe von ihrer Vorlieferantin am 14. Dezember 2005 die Verschiebung des Veröffentlichungsdatum des Tonträgers PULSE erfahren (Anlage AG MBP 4), muss das nicht im Widerspruch zu der von ihr selbst vorgetragenen früheren Kenntnis stehen. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin auch in diesem Zusammenhang nicht etwa behauptet, sie habe erstmals am 14. Dezember 2005 von der in Rede stehenden Verschiebung erfahren bzw. ihre Angaben in der Antwort auf die Abmahnung sei unzutreffend gewesen.
Ob die Antragsgegnerin ihre Internetwerbung betreffend die DVD "PULSE" schon am 14. Dezember 2005 (so ihr Vorbringen) entfernt hat oder ob die Werbung - wie die Antragstellerin behauptet - noch am 15. Dezember 2005 vorhanden gewesen ist, ist für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch unerheblich.
3.) Auch die weiteren Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sind gegeben, insbesondere die Wiederholungsgefahr. Der Antrag beschreibt in zulässiger Verallgemeinerung die konkrete Verletzungsform.
(a) Hinsichtlich der Verallgemeinerung "bespielte Daten- und/oder Tonträger" bestehen keine Bedenken. Das Charakteristische des Verletzungsfalles kommt darin treffend zum Ausdruck. Nicht nur DVD's, sondern auch andere, nicht verfügbare Datenträger kann die Antragsgegnerin in gleicher Weise anbieten.
(b) Die Antrags-Bestimmung "im dort angegebenen Gültigkeitszeitraum" ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zu weit gefasst.
Die Bezugnahme der Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des 5. Zivilsenats des OLG Hamburg (Anlage AG MBP 3) greift schon deswegen nicht durch, weil dem dortigen Sachverhalt die Variante zugrunde lag, dass der Tonträger nur am ersten Tag nicht vorhanden war, dann aber geliefert wurde. Im vorliegenden Fall dagegen war der Tonträger unstreitig für die gesamte angegebene Zeit nicht erhältlich.
(c) Hinsichtlich der Verbots-Wendung "hervorgehoben mit Abbildung" bestehen keine Bedenken, insbesondere nicht mit Blick auf die Bestimmtheit.
In einem Falle mangelnder Bevorratung wäre allerdings klarzustellen gewesen, welche konkrete Form der hervorgehobenen Bewerbung verboten sein soll, zumal sich die Parteien über diese Begrifflichkeit streiten und materiellrechtlich eine Irreführung insoweit nur in Betracht käme, wenn der nicht vorrätige Artikel herausgestellt beworben worden wäre.
Bei der fehlenden Verfügbarkeit besteht eine solche besondere Tatbestandsvoraussetzung nicht. Über den Verbotsumfang besteht insoweit auch keine Unklarheit, denn im konkreten Verletzungsfall wurde der Tonträger mit Abbildung und insoweit hervorgehoben beworben. Auf eine besondere Herausstellung des Artikels gegenüber anderen Waren stellt das Verbot nicht ab.
(d) Der Unterlassungsanspruch betrifft allgemein das Bewerben der bespielten Daten- und/oder Tonträger, er unterscheidet zutreffend nicht nach einem Werbemedium. Auch insoweit ist das Charakteristische des Verletzungsfalles erfasst.
Für die Begehungsgefahr reicht es aus, dass die Antragsgegnerin, wie ausgeführt, im Internet irreführend geworben hat. Das Charakteristische der Verletzungshandlung beschränkt sich aber nicht auf die Internetwerbung, ein entsprechendes Verhalten ist auch bei der Werbung in anderen Medien, z. B. in der Printwerbung ohne weiteres denkbar und zu besorgen.
Ob die Antragsgegnerin bezüglich ihrer konkreten Prospektwerbung (Anlage AG MBP 9) ebenfalls eine Irreführung ausgelöst hat (so die Antragstellerin), oder ob bei den Prospekten damals keine rechtzeitige Stornierung mehr möglich gewesen ist (so die Antragsgegnerin mit besonderem Nachdruck in ihrem Berufungsvorbringen), kann demgemäß dahingestellt bleiben.
III.
Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin unbegründet und mit der Maßgabe des Urteilsausspruchs des Senats zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Haupt- und Hilfsantrag haben, wie ausgeführt, den gleichen Verbotsumfang. Der Umstand, dass der Verbotsausspruch entsprechend dem Hilfsantrag gefasst worden ist, bedeutet demgemäß keine teilweise Zurückweisung des Verfügungsantrages, insoweit konnte die Berufung der Antragsgegnerin auch nicht teilweise Erfolg haben. Vielmehr geht der Hilfsantrag, wie ausgeführt, seinerseits als bloße Wiederholung ins Leere.
In der Erklärung der Antragstellerin, es handele sich bei ihrem Hilfsantrag nur um eine redaktionelle Änderung, liegt auch keine teilweise Antragszurücknahme. Das ergibt sich allerdings nicht allein aus jener Erklärung der Antragstellerin, sondern ist objektiv nach der Aktenlage festzustellen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht, dass der Hauptantrag tatsächlich mehr - auch die Fallgestaltung einer unzureichenden Bevorratung der beworbenen Artikel - hätte erfassen sollen, die Antragsbestimmung "vorrätig" belegt das im Hinblick auf den vorgetragenen Verletzungsfall gerade nicht. Dass der Verbotsgegenstand vom Landgericht etwa dahingehend erörtert worden wäre, ergibt sich aus der Akte ebenfalls nicht. Die Klarstellung im oben dargestellten Sinne war daher noch in der Berufungsverhandlung möglich.
Ende der Entscheidung
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